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England-Tour 2014

 


 

1. Bristol Rovers - Southend United FC  0:0

(21.03.2014) 

Es war mal wieder soweit. Am frühen Freitagmorgen traf sich die junge Truppe der Waldhof-Krauts aus Friedrichsfeld, um zum nächsten Fußball-Ausritt nach England aufzubrechen. Nachdem sich der Tross gerade einmal drei Minuten in Bewegung befand, wurde er Zeuge einer Verfolgungsjagd der Polizei auf der Rheinbrücke. Unbeschadet ging es weiter und auch der Flieger startete von Hahn pünktlich und ohne Zwischenfälle bei der Passkontrolle. So allmählich öffnete sich die Schnittchen-Schatulle, die einmal mehr von Feinkost Schleichert hervorragend befüllt war. Reibungslos und ohne größeren Zeitverlust verlief auch die Aufnahme des Mietwagens in Stansted nach der Landung – ein Lob an die papierlose Kommunikation. Die angenehme Fahrt in dem geräumigen und bequemen Mietwagen bot erste Kostproben des Westminster-Schlages, der wohl aus touristischen Gründen in die Navigationsgeräte der dortigen Mietautos implementiert ist. Dennoch unbeirrt wurde das erste Ziel des Tages angesteuert: Stonehenge, die wohl größte Touristenattraktion Großbritanniens außerhalb von London. Über die Entstehung dieser Gedenkstätte bestehen nur wenige Informationen, es wird vermutet, dass der Ursprung von 3100 v.Chr. herrührt. Gerade rechtzeitig entflohen die „Krauts“ nach der Besichtigung einem einsetzenden Regenschauer, der im weiteren Verlauf der Reise zu einem permanenten Begleiter werden sollte.Von Stonehenge führte der kurze, aber regenreiche Weg nach Bristol, wo sich allmählich wieder die Sonne zeigte. Bristol ist eine Stadt mit 432.000 Einwohnern im Südwesten Englands. Als das Fahrzeug im Parkhaus abgestellt wurde, führte der erste Weg zum Hotel. Bemerkenswert, dass die ersten Schritte, die die „Krauts“ in Bristol absolvierten, von einem Hagel-Wolkenbruch begleitet wurden. Auch die zweite Begegnung konnte in die Kategorie „Mysterium“ gesteckt werden: Als die Friedrichsfelder zum wohlverdienten Mittagessen in einem Lokal eingekehrt waren, brach urplötzlich eine Frau auf der Straße vor der Gaststätte zusammen. Ob sie auch im selben Restaurant gegessen hatte? Wenig später konnten sich aber alle vom doch passablen Zustand der Rentnerin vergewissern. Nach der Stärkung wurde die Stadt erkundet und in der Kathedrale, in der eine Messe gelesen wurde, die obligatorische Kerze entzündet. Über die Waterfront, wo ein erneuter Regenschauer hereinbrach, ging es dann zum Memorial Stadium, wo am Abend die Viertligisten Bristol Rovers gegen Southend United ihr Stelldichein gaben. Nach einem gehörigen Chaos bei der Abholung der vorbestellten Eintrittskarten, ging es dann doch über den Fanshop rasch in Richtung Gästekurve. Irgendwie war es witzig, zu erfahren, dass die Rovers-Fans vom Lokalrivalen Bristol City den Spitznamen „Gasheads“ erhielten, was zum einen dem Standort des früheren Stadions „Eastville“ in unmittelbarer Nähe zu einem übel riechenden Gaswerk geschuldet war, zum anderen eine handfeste Beleidigung darstellen sollte. Die Rovers-Anhänger nahmen es mit Humor und identifizierten sich gar mit dem Titel und bestraften die  City-Fans bei Gastspielen im Eastville derart, dass sie den Gashahn nochmals zusätzlich aufdrehten. Soweit die Legende. Noch heute trägt die schmale, einzeilige digitale Anzeigetafel im Memorial Stadium, das in den 1920er Jahren fertig gestellt und von den Bristol Rovers erst 1996 bezogen wurde, für das Heimteam nur die Bezeichnung „GAS“. Traurig genug, dass dieses alt-britische Stadion bald selbst  ein Memorial benötigt, denn es soll in naher Zukunft einem Supermarkt weichen. Doch scheinbar hat Osteuropa endgültig den Gashahn zugedreht, denn von Gestank war bei diesem grausamen Ligaspiel gegen Southend United von der Ostküste ebenso wenig zu merken wie von Feuer und spielerischer Eleganz. Die Partie wurde den Voraussetzungen gerecht: Bristol  dümpelt in den Niederungen der Tabelle herum und Southend hatte zuvor elf Mal nicht gewonnen und das letzte Spiel 0:0 bestritten.  Dazu gefühlte zwei Grad Außentemperatur und einsetzender Nieselregen auf der unüberdachten Stehplatztribüne – was hätten wir uns in diesem Moment einen Gasofen gewünscht. Übrigens: Das Spiel endete 0:0. Der Ausklang des Abends erfolgte in unmittelbarer Nähe des Hotels in einem Pub.

Memorial Stadium


 

2. Derby County - Nottingham Forest  5:0

(22.03.2014) 

Nach einem heftig deftigen English Breakfast ging es schon in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages in Richtung Fahrzeug, um die nächste Etappe der Tour anzusteuern. Ziel-und orientierungssicher führte der Kulturbeauftragte Andre Schleichert die Truppe zum Auto, nicht ohne auch seine letzten Ortskenntnisse den Reisenden preis zu geben. Mit dem Fahrzeug und dem obligatorischen Westminsterschlag aus dem Navigationsgerät ging es auf direktem Weg Richtung Derby, wo eines der brisantesten Lokalduelle Englands seine Ausrichtung finden sollte. Schon Wochen im Voraus war das Spiel zwischen Derby County und Nottingham Forest restlos ausverkauft. Schließlich ist es das größte East-Midland-Derby überhaupt. Derby in Derby also? Brisanz erfuhr die Partie zudem, da sich beide Teams in sportlich aussichtsreicher Position im Rennen um die Play-Off-Plätze befanden. Sollte also ein Spiel auf des Messers Schneide zu erwarten sein? Vor dem Spiel war die Spannung förmlich zu spüren, es knisterte die Luft, dennoch marschierten beide Fangruppen wild durchgemischt und ohne irgendwelche Polizei-Korridore in Richtung Stadion. Außer einige nicht jugendfreie Zurufe blieb es aber ausgesprochen ruhig. Besonders heikel aber war, dass sich der zahlreich erschienene Gäste-Anhang im Block direkt neben den Heimfans niederlassen musste. Lediglich ein Dutzend Ordner und einige freigehaltene Sitzreihen bildeten den Puffer zwischen Derby- und Nottingham-Fans. Die Stimmung nahm für englische Verhältnisse ausgesprochen ausgeprägte Ausmaße an, auch wenn in den Katakomben ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, unflätige Ausdrücke sofort an Ordner zu melden. Bis zur Halbzeit hatte Derby County einen 3:0-Vorsprung herausgeschossen, und selbst da nahmen sich die Forest-Anhänger noch nicht zurück. „You’re getting sacked in the morning“, schallte es aus der Derby-Kurve in die Richtung von Nottinghams Trainer Billy Davies. Es war mehr als nur ein Schlachtruf, eher eine leise Vorahnung, denn nach dem 0:5 war der Coach von Nottingham Forest am nächsten Tag seinen Job los. Für die „Krauts“ blieb aber keine Zeit zum Luftholen, denn hurtig musste die nächste Etappe des Tages angesteuert werden.

Pride Park


 

3. Ilkeston FC - Blyth Spartans  0:1

(22.03.2014) 

Mit dem Schlusspfiff der Partie in Derby nahmen die „Krauts“ die Füße in die Hand, um die nächste Tagesetappe zu bewältigen. Das nächste Ziel, die Stadt Ilkeston, liegt zwanzig Meilen von Derby entfernt, der Zeitrahmen betrug nur eine Stunde. Eigentlich eine machbare Maßgabe, doch der Abreisestau nach dem Spiel in Derby sorgte für eine ordentliche Verzögerung. Die Nerven wurden aufgrund des Zeitrasters so arg strapaziert, dass eine Packung Kekse zum Opfer fiel. Dennoch wurden die Friedrichsfelder pünktlich zum Ziel gesteuert, fünf Minuten vor dem Anstoß fand man sich im New Manor Ground des Ilkeston FC zum Siebtligaspiel gegen Blyth Spartans ein. Die Außenansicht lässt einen Hauch von Professionalität erscheinen, zudem verstärken ein gebührenpflichtiger VIP-Parkplatz, Drehkreuze an der einzigen Stadionkasse, ein Fanshop im Inneren,  sowie drei überdachte Tribünen und sogar ein Pub diesen Eindruck. Die Krönung jedoch stellte das Catering dar, das gar manch deutschem Regionalligisten den Rang ablaufen würde. Alleine die weltbekannte Fast-Food-Kette „Loubys Shack“ war mit zwei Verpflegungsständen am Start, zudem gab es noch eine dritte Futterkrippe, die hervorragende Burger mit Schmorzwiebeln im Repertoire hatte. Sensationell, und das für 305 Zuschauer. Als das Spiel nach einem haarsträubenden Abwehrfehler von Ilkeston schon zugunsten von Blyth Spartans 1:0 stand und sich aufgrund des harmlosen Auftretens der Gastgeber ein Heimerfolg nicht mehr einzustellen schien, bot sich ein Schauspiel, das es wohl auch nur auf der britischen Insel gibt. Von wolkenfreiem Himmel fielen ein paar vereinzelte Regentropfen auf die Häupter der Fußballreisenden nieder. Selbst der Meteorologie-Beauftragte des Fanclubs, der ansonsten für Kultur und Verpflegung zuständig ist, konnte dieses Phänomen nicht einordnen. Nach dem Spiel, das mit 0:1 in die Fußballbücher einging, folgten die „Krauts“ einer Einladung der Gastgeber in die VIP-Räumlichkeiten, wo es noch Freigetränke und Schnittchen gab. Nach diesem familiären Fußball-Erlebnis ging es weiter nach Nottingham, nicht aber ohne zuvor noch zwei historisch bedeutsame Stopps einzulegen. Zunächst wurde dem weltbekannten Eisenbahnwaggon im zweiten Kreisel Ilkestons eine kurze Aufmerksamkeit gewidmet, anschließend wurden die Süßwarenvorräte des einzigen Ilkestoner Supermarktes für die nächsten 20 Jahre geschröpft. In Nottingham angekommen wurde nach Bezug der Hotelzimmer noch die Fußgängerzone gestürmt. Als Abschluss des Abends besuchte man das „Ye olde Trip to Jerusalem“, das älteste Pub Englands, das zweifelsohne Touristen-Attraktion ist, aber auch hervorragend Bewirtschaftung bietet. Nach einer weiteren ereignisreichen Nacht, in der sich einer der Reisenden als halluzinatorischer Feuerwehrmann bewies, folgte der Aufbruch zu Tag drei und den letzten beiden Spiel der Tour.

New Manor Ground


 

4. RL United - FC Polit  2:1

(23.03.2014) 

Nach einem heftig deftigen English Breakfast strömten die „Krauts“ an ihrem letzten Tag frühzeitig zum Auto. Auf dem Weg dorthin glänzte der Kulturbeauftragte in den Gassen von Nottingham dann noch mit seinem Vollwissen. Und wenn selbst das nicht mehr ausreichte, setzte er voller Überzeugung sein Halbwissen ein, das dann verblüffenderweise auch halbwegs korrekte Informationen bereithielt. Per PKW ging es nun von Nottingham in den Norden von London, wo die weltbekannten Hackney Marshes liegen. Auf diesem Park sind mehrere Dutzend Fußballspielfelder eingezeichnet, auf denen sich Sonntagmorgens ein Treiben entwickelt, das einem Ameisenhaufen gleich kommt. Ein vorab ausgewähltes Spiel dort zu finden, war unmöglich. Die Teams und ihre Spieler dürften ein kleines Spiegelbild der Welt sein, denn es dürfte keine Nation der Erde nicht mit einem Vertreter vorhanden gewesen sein. Letztlich wurden die „Krauts“ von der herrlich rosa Trikotfarbe einer Mannschaft angezogen, die sich ausgerechnet als das renommierte RL United entpuppte. Im September 2004 wurde der damals 16-jährige Robert Levy nur wenige Meter von seinem Wohnhaus in Hackney bei dem Versuch, einen 15-jährigen Jungen vor einer Messerattacke bei einem Überfall zu beschützen, selbst tödlich verletzt. Ihm zu Ehren und in Gedenken an seine Person und sein selbstloses Handeln hat sich neben einer offiziellen Stiftung zudem auch eine Fußballmannschaft gegründet, die unter dem Namen RL United an den Start geht.  Die pinkfarbenen Trikots, die nur noch von den rosa HSV-Trikots aus der Saison 1976/ 77 getoppt werden, leuchteten über das wolkenverhangene Areal. Mit vollem Körpereinsatz und echt rustikal britischem Fußballstil bekämpften sich die beiden Teams in diesem Achtelfinalspiel um den Jack Walpole Cup. Von dem friedlichen Ansinnen, für die die Robert Levy Foundation steht, war in den 90 Minuten nichts zu spüren. Nach dem Spiel wechselten aber ausgiebige Händedrücke die Seiten. RL United hatte soeben gegen einen klassentieferen Gegner 2:1 gewonnen und das Viertelfinale erreicht. Und hier ging es gegen keinen Geringeren als das mythenumrankte Wounded Knee, das sich mit 3:0 gegen Highfield durchgesetzt hatte.

Hackney Marshes


 

5. Tottenham Hotspur - FC Southampton  3:2

(23.03.2014) 

Von den Hackney Marshes ging es anschließend per Bleifuß zum letzten Event der Tour. Die Tottenham Hotspurs empfingen die Überraschungsmannschaft FC Southampton und aufgrund der bekannt schlechten Parksituation rund um das Stadion wurde der erstbeste, freie, dafür aber etwas dubiose Parkplatz angesteuert. Ohne zu wissen, wie viele Kilometer das noch nicht ersichtliche Stadion entfernt schien, drückten die Krauts die Augen zu und stellten das Fahrzeug ab. Die Vorfreude auf das Spiel überwog in diesem Moment noch die Angst, das Auto könnte später nicht mehr da stehen. Zur Belohnung gab es auch nach einem gefühlten 5-km-Marsch zwei schnelle Biere in einer Fankneipe. Anschließend wurde die an diesem Wochenende vernachlässigte Burger-Kultur gepflegt und ein undefinierbares Stück Fleisch zwischen Brötchen und einem Schwung fett-triefender Röstzwiebeln vertilgt. Auf dem Weg zum Sitzblock wurde der Fanshop im wahrsten Wortsinne links liegen gelassen und das Ziel aufgesucht. Die letzten zusammenhängenden Sitzplätze, die gebucht werden konnten, befanden sich in einer Ecke des Stadions und somit nicht die besten Sichtplätzen. Aber besser als nichts und als nach einer Weile auch noch Waldhofs Ex-Trainer Steffen Menze um die Ecke kam und sich wunderte, in diesem englischen Stadion nicht erkannt zu werden, ging es auch los. Southampton ging früh in Führung und nutzte die katastrophalen Abwehrfehler der Londoner schonungslos aus. Doch auch sie geizten nicht mit Fehlern und boten Tottenham viel Platz und Gelegenheit auszugleichen. Am Ende hieß es gar 3:2 für Tottenham. Nach dem Spiel wurde das Auto in gediegenem Rückmarsch wieder erreicht und der Großraum London verlassen, um die Nacht in Bishop’s Stortford in einem heimeligen B&B zu verbringen. Der Ausklang des Abends war dann auch noch redenswert: von einem Mitternachts-Fish&Chips und einem Hund, der sich auf die Theke des Pubs lehnte.

White Hart Lane